Harry Kahn war der einzige Viehhändler der ehemaligen jüdischen Gemeinden in der Region, der nach den Demütigungen von 1933 bis 1945 wieder seinen Betrieb in seinem Heimatdorf neu eröffnete. Er hatte mehrere KZ-Lager überlebt, seine erste Frau wurde in Riga ermordet.
Nach der Pogromnacht am 9. November 1938 erhielt Harry Kahn wie alle jüdischen Unternehmer Berufsverbot und wurde zur Arbeit an der Bahnstrecke zwischen Herrenberg und Horb gezwungen. Im November 1941 verschleppte ihn die SS mit 1000 anderen Juden aus Württemberg nach Riga. Nur wenige – darunter Harry Kahn – überlebten das dortige Konzentrationslager.
Nach Ende des Krieges fand Harry Kahn den Mut, wieder als Viehhändler in Baisingen neu zu beginnen. Wie schwer dieser Neuanfang für seinen Vater war, erzählt sein Sohn Dr. Fredy Kahn, der 1947 geboren ist, in eindrücklicher Weise in der neuen Gedenkstätten-Rundschau, die Anfang November erschienen ist.
Neben dem zentralen Artikel über die Familie Kahn schreibt Barbara Staudacher über die Rexinger Überlebenden der Lager.
Dr. Martin Ulmer aus Tübingen beschreibt, wie sich Victor Marx, der mit Harry Kahn in Riga war, nach seiner Rückkehr dafür einsetzte, dass ein Gedenkstein für die Opfer der jüdischen Gemeinde Tübingen auf dem Friedhof in Wankheim errichtet wurde.
Dr. Winfried Hecht aus Rottweil schreibt über den 1933 einsetzenden Rassenwahn, der dazu führte, dass langjährige jüdische Mitglieder die Rottweiler Sektion des Albvereins verlassen mussten.
Der Historiker Jens Kolata aus Tübingen gibt einen Überblick über die Verfolgung sogenannter „Asozialer" in Württemberg und Hohenzollern durch den NS-Staat.
Carsten Kohlmann aus Oberndorf berichtet über eine Widerstandsaktion von zwei Schramberger Demokraten, die sich bei Kriegsende gegen die Schließung von Panzersperren an ihrem Ort mutig und erfolgreich wehrten.
Volker Mall aus Herrenberg dokumentiert, wie verbissen in den 1980er-Jahren in Tailfingen im Gäu über Texte auf zwei Gedenktafeln auf dem dortigen Friedhof gerungen wurde, weil man nicht über das ganze Ausmaß der dort geschehenen Verbrechen sprechen wollte.
Dr. Franziska Blum aus Bisingen zeigt, wie im Schulunterricht mit neuen Materialien gearbeitet werden kann. Sie setzte den Geschichts-Chomic „Die Suche" ein und konnte so Schülerinnen und Schüler dazu gewinnen, sich intensiv mit dem Schicksal von Kindern im NS-Regime zu beschäftigen. Ein Veranstaltungskalender, der bis in das Frühjahr 2016 reicht, ergänzt das interessante Heft zur Regionalgeschichte.
Die Rundschau kann über die Gedenkstätten, den Buchhandel oder direkt beim Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb.
Der Bericht von Dr. Kahn kann auf dieser Homepage unter der Rubrik „Gedenkstätten-Rundschau" als pdf-Datei heruntergeladen werden.