aus Baisingen
Artikel von Valentin Heinze
Fredy Kahn wurde 1947 in Baisingen geboren.
Sein Vater Harry Kahn wurde 1911 in Baisingen bei Rottenburg am Neckar geboren. Zehn Jahre nach Harry kam dessen Bruder Siegfried zur Welt. Die Familie von Harry und Siegfried Kahn lebte vom Viehhandel. Dieser war zur damaligen Zeit ein Haupterwerb für die jüdische Bevölkerung in den ländlichen Regionen um Tübingen.
Harry Kahn heiratete seine erste Frau Irene. Das Ehepaar wurde im Dezember 1941 ins Konzentrationslager Jungfernhof bei Riga deportiert. Ende 1944 kamen sie mit einem Transport ins KZ Stutthof. Dort wurden sie getrennt. Irene Kahn starb in Stutthof.
Für Harry Kahn begann ein weiterer Leidensweg durch die Konzentrationslager von Buchenwald und Theresienstadt.
Die Familie Kahn nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach der Befreiung von Theresienstadt war Harry Kahn an Typhus erkrankt und musste noch einige Wochen in Theresienstadt bleiben. Nach der Genesung wurde Harry von Theresienstadt nach Stuttgart gebracht. In Theresienstadt lernte er seine spätere Frau Jeanette geb. Kaschinierow kennen.
Fredy Kahn kam 1947 zur Welt.
Seinem Vater war Ende 1938 der Gewerbeschein für den Viehhandel abgenommen wurden. Nach seiner Rückkehr aus dem Lager begann er in Baisingen wieder mit dem Viehhandel. Mit manchen Leuten wechselte Harry Kahn jedoch kein Wort mehr und verhandelte nicht mehr über deren Vieh.
Kindheit und Jugend
Fredy Kahn wurde von seinen Eltern dazu erzogen, nicht aufzufallen, weil es sonst "Ärger gegeben" hätte. Die hohen jüdischen Feiertage wurden von der Familie Kahn in der jüdischen Gemeinde in Stuttgart gefeiert, denn in Baisingen gab es keine jüdische Gemeinde mehr.
Im Religionsunterricht hatte Fredy Schwierigkeiten mit der hebräischen Sprache. Er verlor den Spaß daran. Das änderte sich erst wieder, als Lehrer aus Israel nach Stuttgart kamen und Fredy und seine Mitschüler/innen unterrichteten. Fredy war zu diesem Zeitpunkt etwa zehn Jahre alt.
Als er 13 Jahre alt war, wurde seine Bar Mizwa groß gefeiert und er besuchte den Religionsunterricht weiter, bis er 17 Jahre alt war.
„Schließlich habe ich mir gesagt: „Du musst nicht rummeckern. Du musst Verantwortung übernehmen.“
Beruf und religiöses Engagement
Über ehemalige Bürger aus Baisingen kam Fredy zu Kontakten nach Israel. Geflohene Jüdinnen und Juden aus Rexingen und Baisingen hatten in Israel die Siedlung Shavei Zion gegründet. Als Fredy 18 Jahre alt war, fuhren er und seine Mutter mit Fredys Cousin Franklin mit dem Auto von Baisingen nach Venedig. Von dort aus nahmen sie das Schiff nach Haifa. Vom Land und seinen Menschen war Fredy sehr beeindruckt. Die Verbundenheit mit Israel hielt weiter an.
Nach der Schulzeit studierte Fredy Humanmedizin und wurde Allgemeinmediziner in Nagold. Mit seiner Frau Cathy gründete er eine Familie. Ein Ausdruck für die Verbundenheit mit Israel wurde die Bat Mizwa ihrer Tochter Nathalie, die in Shavei Zion gefeiert wurde.
Fredy Kahn ließ sich in die Revisionskommission der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) wählen. Diese prüft die Rechnungen und Kassenstände. Und er war längere Zeit im Vorstand der IRGW.
Heute ist Fredy Kahn in Rente und lebt in Tübingen.
Literatur- und Quellenangaben
Gedenkstätten-Rundschau Nr.15 vom November 2015. Online verfügbar: https://www.gedenkstaettenverbund-gna.org/images/downloads/gedenkstaettenrundschau/gr_15_webO.pdf, aufgerufen am 12.11.2020.
Interview mit Dr. Fredy Kahn durch Barbara Staudacher und Heinz Högerle am 21.8.2015.