aus Horb
Artikel von Klara Hückstädt
Ruth ist die zweite Tochter der Viehhändlerstochter Lucie Schick und des Viehhändlers Viktor Wälder aus Horb. Sie kam am 26.12.1922 in Tübingen auf die Welt und verlor schon drei Wochen nach der Geburt ihre Mutter Lucie. Ihr Vater heiratete nach einem Jahr Fanny Hirsch. 1925 wurde Ruths Halbbruder Heinz Simon geboren.
Ruth und ihre Familie wohnten in der Neckarstraße 45 in Horb. Aufgrund der politischen Gesinnung ihres Vaters floh die Familie schon 1933 aus Horb ins Elsass, wo die beiden Mütter der Kinder Verwandte hatten. Ruth und ihre große Schwester Hilde kamen bei den Eltern ihrer verstorbenen Mutter unter. Die 19-jährige Hilde heiratete 1935. So gelang es ihr, den Behörden zu entkommen. 1934 zog Ruth mit ihrer Stiefmutter Fanny, ihrem Halbbruder Heinz-Simon und ihrem Vater Viktor nach Altkirch (Elsass), wo sie begannen, sich eine neue Existenz aufzubauen.
Im September 1939, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, wurde ihr Vater als „feindlicher Deutscher“ verhaftet und in das Kriegsgefangenenlager Langres Haute-Marne gebracht. Ruth und der Rest der Familie wurden aus Altkirch ausgewiesen. Sie flohen von Orleans nach Périgueux, wo sie Viktor wieder trafen, der aus gesundheitlichen Gründen entlassen worden war. Hier fand Viktor endlich Arbeit in einer Fabrik.
1941/42 begann jedoch auch in Frankreich die systematische Judenverfolgung, woraufhin die Familie untertauchen und immer wieder ihre Bleibe wechseln musste. Durch den Versuch einer Flucht in die politisch neutrale Schweiz erhoffte sich die Familie Rettung. Doch man gewährte ihnen kein Asyl, woraufhin sie zurück nach Frankreich geschickt wurden.
Von der französischen Grenzpolizei festgenommen, wurden sie am 26.12.1942 ins Sammellager Cité de la Muette in Drancy bei Paris gebracht.
Im Februar 1943 wurde die Familie ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Ihr genaues Todesdatum ist nicht bekannt. Ruth war 22 Jahre alt.
Ihre große Schwester Hilde entkam der Verhaftung durch ihre Heirat mit einem Franzosen und versteckte sich und ihre Kinder erfolgreich vor den Nazis.
Literatur- und Quellenangaben
Felicia Stahl: Die Familie von Viktor Wälder. In: Vom Leben in Horb am Neckar. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde und die Dokumentation ihres Friedhofs. Ubstadt-Weiher 2019. S. 201–204.
Heinz Högerle: Wie das Bundesrückerstattungsgesetz diskriminierte – Entschädigung für Ausraubung im Ausland am Beispiel der Familie Wälder aus Horb. In: Heinz Högerle, Peter Müller und Martin Ulmer (Hrsg.): Ausgrenzung, Raub, Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945. Stuttgart 2019, S. 533–536.