aus Hechingen
Artikel von Nicole Osikowski
Edith Hofheimer wurde am 2./3. April 1932 als zweites Kind von Otto Hofheimer und Lilly Hofheimer (geb. Marx) in Stuttgart geboren und lebte seit 1933 gemeinsam mit ihrer Familie in der Schloßstraße 10 in Hechingen. Ihre Mutter starb bereits als Edith drei Jahre alt war und so kümmerte sich auch die Haushälterin der Hofheimer, Pescha Nowenstein, um das Mädchen. Nachdem Otto Hofheimer 1937 seine zweite Frau Martha (geb. Grumbacher) heiratete, übernahm diese die Mutterrolle für Edith und ihren sechs Jahre älteren Bruder Heinz (Henry). Die Familie Hofheimer betrieb ein Textilwarengeschäft in der Synagogenstraße, welches Otto von seinem Vater übernommen hatte und das in Hechingen sehr beliebt gewesen war. Otto leitete das Geschäft als angesehener Kaufmann und seine Frau war als Buchhalterin im Geschäft tätig. Die Hofheimer waren, wie viele Juden, gut in die Hechinger Gesellschaft integriert. Ediths Vater sang im Chor des Musikvereins und war für Deutschland in den Ersten Weltkrieg gezogen.
Doch antisemitische Ausschreitungen nahmen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten auch in Hechingen immer weiter zu. Nachdem Otto Hofheimer nach der Reichspogromnacht vorübergehend im KZ Dachau inhaftiert gewesen war und die Familie ihr geliebtes Geschäft an den nicht-jüdischen Kaufmann Adolf Unger verkaufen musste, entschieden sie sich dazu Ediths Bruder 1938 nach Genf zu schicken, wo er bei Verwandten unterkommen konnte. Auch Ediths Großmutter mütterlicherseits verließ Deutschland, um nach England zu flüchten. Beide konnten auf diese Weise der Ermordung durch die Nationalsozialisten entgehen. Die damals sechsjährige Edith blieb jedoch vorerst mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter in Hechingen.
Deportation der Familie Hofheimer
Zu dem Zeitpunkt als im November 1938 ein Schulverbot, unteranderem an der evangelischen Volksschule, für jüdische Kinder beschlossen wurde, war Edith noch nicht eingeschult. Ab dem Jahr 1939 hatte sie, zusammen mit einigen wenigen anderen jüdischen Kindern, bis Mitte März 1941 Privatunterricht vom Rabbinatsverweser und Lehrer Leon Schmalzbach erhalten. In den Jahren 1939 und 1940 sind mehrmonatige Aufenthalte in der Adolfs-Alle 24 in Wiesbaden, dem Wohnort von Marthas Schwester Rosi Grumbacher, dokumentiert, die darauf schließen lassen, dass die Familie Hofheimer möglicherweise geplant hatte, auch Edith mit einem Kindertransport ins Ausland zu schicken. Letztendlich kam es jedoch nicht dazu.
Die Jüdische Mittelstelle wurde dazu beauftragt die Juden in Württemberg und Hohenzollern am 19. November 1941 über eine anstehende „Umsiedlung der Juden in den Osten“ zu informieren. Da es sich um die erste Deportation von Stuttgart aus handelte, wurde mithilfe dieser Formulierung versucht, den geplanten Holocaust zu verheimlichen und den Menschen die Deportation als bloße Umsiedlung zu verkaufen. Nur einige Tage später, am 27. November 1941, wurde die Familie Hofheimer und ihre Haushälterin zusammen mit weiteren sieben Hechinger Juden nach Stuttgart überführt. Unter Aufsicht von zwei Polizeibeamten gingen sie durch die Herrenackerstraße Richtung Bahnhof. Mit dabei hatten sie nur das Nötigste in Rücksäcken oder kleinen Koffern.
Eine Zeitzeugin erinnert sich, wie auch Edith, mit dem Schulranzen auf dem Rücken, die Straße entlang ging:
„Stumm schritten sie durch die Herrenackerstraße, kein Wort kam über ihre Lippen. Nur die kleine Tochter von Herrn Otto Hofheimer, die an der Hand ihres Vaters ging, weinte und presste mit der freien Hand eine Puppe an ihren kleinen Körper.“
Ermordung von Edith Hofheimer und ihren Eltern
In Stuttgart sollten zunächst alle Juden aus Stuttgart und der Region auf dem Killesberg versammelt werden. Erst vier Tage später, am 1. Dezember 1941 machten sich 1.013 Menschen, unter ihnen auch Edith, vom Killesberg auf den Weg zum Bahnhof. Zwischen acht und neun Uhr morgens fuhr der Sonderzug Da 33 Richtung Riga los, wo er dann am 04. Dezember ankam. Aufgrund der Tatsache, dass das Lager überfüllt war, wurden die Deportierten in das etwa sechs Kilometer entfernte Lager Jungfernhof gebracht. Bei Temperaturen von bis zu Minus 40 Grad mussten die Gefangenen dort in den alten Scheunen und Viehställen ausharren. Nach Angaben Überlebender wurde die neunjährige Edith, zusammen mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter Martha am 26. März 1942 abtransportiert und in ein nahe gelegenes Waldstück gefahren. Dort, im Birkenwäldchen, seien sie, wie auch weitere 1.700-1.800 arbeitsunfähige Menschen erschossen worden. Die meisten der am 01. Dezember 1941 aus Stuttgart deportierten Juden starben bei dieser Massenerschießung. Keiner der von Hechingen aus verschleppten Juden hat die Lager überlebt.
Nachdem er von der Ermordung seiner Familie erfuhr, reiste Heinz Hofheimer nach dem Ende des Krieges in die USA aus und ließ sich in New York nieder, wo er seinen Namen zu Henry änderte. Im Jahr 1978 hinterlegte er sowohl für seine Schwester Edith, als auch für seinen Vater und seine Stiefmutter ein Gedenkblatt in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.
Literatur- und Quellenangaben
Bumiller, Casimir: Juden in Hechingen. Verlag Glückler, Hechingen, 1990.
Harder, Wolfgang / Klegraf, Josef / Kurz, Jörg / Rannacher, Helmut: Der Killesberg unterm Hakenkreuz. Geschichtswerkstatt Stuttgart Nord e.V., 2015.
Werner, Otto: Deportation und Vernichtung hohenzollerischer Juden. Alte Synagoge Hechingen e.V., 2011.
o.V.: Familie Grumbacher / Grünbaum. Online verfügbar unter: https://moebus-flick.de/die-judenhaeuser-wiesbadens/adolfsallee-24/familie-grumbacher-gruenbaum/, aufgerufen am 12.11.2020.